• Mi 05 – Sa 29 11 2014 •
The Incidental Insurgents Pt. 2: Unforgiving Years
Ruanne Abou-Rahme & Basel Abbas
We are believing and dis-believing
We are in the midst of the not yet material
Or perhaps the already determined
Inhabiting a time of radical potentiality and its collapse
In search of a new language
In need of this
Always on the verge
Always becoming and yet…
Die Ausstellungstrilogie The Incidental Insurgents („Die zufälligen Rebellen“) ist eine audiovisuelle Recherche- und Installationsarbeit von Ruanne Abou-Rahme und Basel Abbas. Mittels fiktionaler und dokumentarischer Fragmente wird eine vielschichtige Erzählung von historischen Außenseiterfiguren konstruiert, in der sich die Suche nach einer neuen politischen „Sprache des Moments“ in Zeiten politischer Desillusionierung entfaltet. Das gesammelte Material aus Texten, Bildern, Objekten und Sounds verdichtet sich zu einem audiovisuellen Skript, in dem die historischen Figuren in unzähligen Formen und Charakteren fiktional wiederkehren.
Im ersten Teil der Ausstellung, The Part about The Bandits (2012), begeben sich Abou-Rahme und Abbas auf die Spurensuche nach vier scheinbar disparaten Leben politischer Grenzgänger: dem Anarchisten Victor Serge und seinen Anhängern der Bonnot-Bande im Paris 1910er Jahre; Abu Jildeh und Arameet, die am Aufstand gegen die Briten im Palästina der 1930er Jahre beteiligt waren; dem Künstler als exemplarischen Bandit in Roberto Bolaños Roman Die wilden Detektive und dem Leben des Künstlerpaares selbst in ihrer Heimat Palästina. Anhand der ausgewählten Figur des „Banditen“, weitgehend als kriminelle Existenz von der Geschichtsschreibung ausgeschlossen, erzählen die Künstler eine alternative, translokale Version der Geschichte von politischem Widerstand und Abnormität. Denn oftmals agieren Banditen oder Rebellen an einer Grenze zwischen dem Politischen und dem Illegalen.
Der Titel des zweiten Teils, der in Köln gezeigt wird, The Unforgiving Years (2014), nimmt Bezug auf den gleichnamigen autobiographischen Roman des frühen Anarchisten und Schriftstellers Victor Serge. Thematisiert wird das Nachleben desillusionierter Revolutionäre in Russland vor und während des Zweiten Weltkriegs. Serge selbst verarbeitet die Ernüchterung über die Zerschlagung der innerparteilichen Oppositionsgruppe der russischen Kommunisten in seinen Schriften und knüpft damit an eine „Poetik des Scheiterns“ im Sinne Roberto Bolaños an. Beide stehen exemplarisch für einen Künstlertypus, der nach der politischen Partizipation und Verantwortung der Kunst fragt. Hiervon ausgehend reflektieren Abou-Rahme und Abbas in ihrer audiovisuellen Installation, die einer überhöhten Version des Künstlerateliers gleicht, kritisch über die Verschiebung der eigenen Position als KünstlerIn und hinterfragen introspektiv künstlerische und politische Praktiken.
Von der Ernüchterung im arabischen Frühling beeinflusst, fragen sich Ruanne Abou-Rahme und Basel Abbas wie sich ein Scheitern der Aufständischen zu einer alternativen politischen Sprache und Vorstellungskraft transformieren lässt. Erzählt wird die weitere Entwicklung und das Nachleben der vorgestellten Rebellen, deren Wege den Besucher an vergangene, oft obskure Orte führen: So zum Beispiel in das politische Verlagshaus von Abou-Rahmes Vater, ein avantgardistischer Kreis politischer Intellektueller im Jerusalem der 1970er Jahre. Schon in diesem Kreis wurde Abu Jildeh nach fast 40-jähriger Vergessenheit wiederentdeckt, bevor er schließlich im politischen Gehör von Abou-Rahmes und Abbas Ausstellungstrilogie widerhallt. Unzählige Bilder aus jahrelanger Recherchearbeit, darunter Filmstills, Abbildungen aus dem Internet oder aus Zeitungsausschnitten sowie Zeichnungen von Tawfik Abou-Rahme werden zu einem dreidimensionalen Archiv in der alten Hausmeisterwohnung der Alten Feuerwache montiert. Zwei sound-aufgeladene Kurzfilme komplementieren die Installation zu einem audiovisuellen Imageskript.
Mit ihrer Arbeit legen Abou-Rahme und Abbas das jeweils Nicht-Sagbare im Kontext der gesellschaftlichen Verhältnisse der benannten historischen Figuren frei, um Brüche aufzuspüren, die eine Sprache jenseits einer aus Desillusionierung herrührenden Passivität ermöglichen. Dabei ist selbst die Geschichte des Ausstellungsortes, der Alten Feuerwache, zutiefst mit der Frage nach der politischen Anschlussfähigkeit von linken Bewegungen verknüpft. Für die Besucher der Ausstellung gilt es somit, sich auf die Suche nach verlorenen oder verpassten Möglichkeiten der Geschichte zu begeben – und zwar ganz im Sinne der Rebellen selbst: Als aktiv handelnde Grenzgänger zwischen der zerbrochenen Realität und einem noch zu ergründenden Imaginierten, das den Horizont für alternative Ausdrucksformen des Politischen öffnet.
See the breaks as openings
They enter where they do not know
Moments that seem to leave nothing behind
Nothing but the spectral connections
To be anonymous
To reappear as another figure
To have many returns
Ort: Alte Feuerwache, Melchiorstraße 3, 50670 Köln, Hausmeisterwohnung, 3 €
Ausstellungen und Performances u.a. im Rahmen der 31. São Paulo Bienniale (São Paulo, 2014), 10. Gwangju Biennale (Gwangju, 2014), Asian Art Biennale (Taiwan, 2014), 13. Istanbul Biennale (Istanbul, 2013), die 6. Jerusalem Show (Jerusalem, 2012), 4. Gangzhou Triennale (2012), TBA 21 (Wien, 2012), 5. Jerusalem Show (2011), New Art Exchange (Nottingham, 2011), Homeworks V (Beirut, 2010), 6. Liverpool Biennale (2010) und auf der 53. Biennale von Venedig (2009).
Basel Abbas und Ruanne Abou-Rahme waren von Dezember 2012 bis August 2013 Stipendiat*innen der Akademie der Künste der Welt. Weitere Informationen zu den beiden Künstler*innen finden Sie hier.