• Do 20 10 2016 •
Dein Körper ist die Stadt (Übungen in Mediumismus)
Federica Bueti
Fremde sind im Haus. Das Haus ist ein Körper, der Körper ist eine von vielen verschiedenen Stimmen durchdrungene Stadt. Wer sind sie, was wollen sie? Wie sprechen sie zu uns? Wie sprechen wir durch sie? Seit Jahrhunderten wird Mediumismus mit Channeling, mit der Praxis von Schamaninnen, Scharlataninnen, Zauberinnen und Hysterikerinnen gleichgesetzt: Schamaninnen verwandeln sich in kleine Vögel, Hexen entfesseln unbekannt Kräfte und die Hysterikerinnen verkörpern die Gesellschaft, eine gefährliche symbolische Mobilität. Doch auch Künstlerinnen, Tänzerinnen, Dichterinnen und Autorinnen sind Medien. Sie nutzen ihre Körper (bzw. ihre Werke) als Passagen – von Körper zu Körper, von Körpern zu Objekten, vom Individuum zum Kollektiv, von der Realität zur Fiktion – und als Beziehungsmodus, als einen Weg, mit der materiellen und spirituellen Welt in Kontakt zu treten. Mediumismus ist eine Frage der Feineinstellung: Ein Medium verfügt über eine sehr fein eingestellte Wahrnehmung und ist in der Lage, die Gedanken, Stimmen und Eindrücke der anderen zu fühlen oder zu hören, es lässt die anderen durch sich sprechen, während sein „Ich“ sich von sich löst. Mit Mediumismus meine ich hier einen verkörperten, relationalen Wissensmodus.
Wie wird man zum Medium der eigenen Praktiken und Stimmen und der der anderen? Wie atmet, hört, liest, singt und spricht man mit den Stimmen von anderen? Wann und auf welche Weise eröffnet eine Praxis die Möglichkeit für Begegnungen? Und welche Art von Wissen wird produziert? Wie beschwören wir all die anderen, die in und mit uns leben, in unseren Praktiken herauf? Wie sehen und porträtieren wir uns durch andere? Im Rahmen von Katarina Zdjelars Projekt Reconstruction as Construction: Tanz für Käthe Kollwitz für die Junge Akademie werden wir uns innerhalb eines eintägigen Workshops exemplarisch mit der deutschen Tänzerin und Choreografin Dore Hoyer und den Arbeiten der französischen, feministischen Autorin Hélène Cixous und der italienischen feministischen Autorin Carla Lonzi beschäftigen, die die Möglichkeiten, sich selbst in Medien für andere Stimmen und Praktiken zu verwandeln, durchdacht und experimentell erprobt haben. Ausgehend von unserer Beschäftigung mit den Werken der Künstlerin und der Autorinnen und unseren eigenen Erfahrungen und Praktiken setzen wir uns in dem Workshop mit Fragen des Mediumismus, der Depersonalisierung, der Objektivierung, der Verkörperung und der Konstruktion von Genealogien auseinander.
Gemeinsam lassen wir uns auf eine Übung in Mediumismus ein – beim Atmen, Zuhören, Lesen, Singen und Sprechen mit den Stimmen der anderen.
Federica Bueti ist eine in Berlin lebende Autorin, Kuratorin und Forscherin, die sich mit der Analyse von Partizipationspolitiken im Rahmen kuratorischer Praktiken befasst. Bueti war Gründerin und Leiterin der thematischen Online-Plattform PIANOmagazine.org und von less/express, eines von der American Academy in Rome in Auftrag gegebenen Fanzines. Sie ist auch Gründerin und Chefredakteurin von ...ment, eines Magazins für zeitgenössische Kultur, Kunst und Politik (journalment.org). Darüber hinaus war Bueti als Ausstellungsassistentin für die Alighiero e Boetti Foundation in Rom tätig. Von 2008 bis 2010 arbeitete sie mit RAM radioartemobile Rom zusammen, einer Non-Profit-Organisation, die sich für die Förderung von Klangexperimenten engagiert. Bueti absolvierte ein BA-Studium in Medientheorie und Kommunikationswissenschaften an der Libera Università di Lingue e Comunicazione, IULM, in Mailand. Den Masterstudiengang Kuratieren zeitgenössischer Kunst schloss sie 2007 an der Accademia di Brera in Mailand ab. 2009 nahm sie am ersten jährlich stattfindenden International Curator Course der Gwangju Biennale in Südkorea teil.